Langfristige Verbesserungen mit Controlled Traffic Farming – Ein Interview mit Steve Larocque

Steve ist Agronom und Pflanzenbauberater in Alberta, Kanada. Er ist nicht nur selbst Landwirt, sondern arbeitet auch an neuen Ideen und Innovationen für die Landwirtschaft auf der ganzen Welt, eine davon ist das Controlled Traffic Farming (CTF). Wir sprachen mit Steve und erhielten einige wertvolle Einblicke aus erster Hand über seine Erfahrungen bei der Umsetzung von CTF.

Nexat
Lassen Sie uns gleich mit dem Thema „Controlled Traffic Farming“ (CTF) beginnen und wie Sie hierzu gekommen sind.

Steve
Im Jahr 2008 erhielt ich ein Stipendium von Nuffield Canada. Mein Studienthema war Precision Agriculture. Als ich anfing zu reisen, entwickelte sich das ganze hin zum Thema CTF, was dann Teil meines Schwerpunkts Präzisionslandwirtschaft war. Wir begannen in Australien, reisten dann nach Brasilien, in die USA, nach Kanada und dann weiter nach Neuseeland und England. Ich habe mir also sowohl klimatisch humide als auch aride Regionen angesehen. Dabei fiel mir auf, dass es im Laufe der Geschichte immer wieder zu einem Auf und Ab bei den Niederschlägen kam. Wir sprechen von einer durchschnittlichen Niederschlagsmenge von z. B. 300 mm, während wir in Wirklichkeit 600 mm oder gar nichts bekommen, also durchschnittlich 300 mm. Als ich nach Möglichkeiten suchte, unser landwirtschaftliches System widerstandsfähiger zu machen, stieß ich auf CTF. Im Grunde bin ich in Australien darüber gestolpert. Die Landwirte, die ich besuchte, bewirtschafteten in einigen Fällen schwere tonige Böden mit vertikalen Rissen – ähnlich wie ich in Kanada – und waren mit extremen Wetterzyklen konfrontiert: Entweder brannte es oder es gab Überschwemmungen. CTF ist für sie eine Möglichkeit, sich gegen diese extremen Wetterereignisse zu wappnen. So begann ich, mich eingehender mit dem CTF-System zu befassen und brachte es schließlich mit nach Kanada. 2010 führten wir CTF auf unserer Farm ein.

Nexat
Wenn Sie auf die ersten Jahre zurückblicken, was hat Sie bei der Umstellung auf CTF am meisten überrascht – sowohl im positiven als auch im negativen Sinne?

Steve
Ich glaube, vor allem wie einfach es für uns war. Wenn man seine Technik erstmal angepasst hat, geht es im Grunde nur darum, in geraden Linien zu fahren. Und das ist nicht kompliziert. Der komplizierteste Teil ist die Verteilung von Ernterückständen und in gewisser Weise auch die Erhaltung der Fahrgassen, die kompliziert werden kann, da sie zusätzlichen Aufwand erfordert.

Abgesehen davon habe ich viele positive Unterschiede im Aufgang festgestellt, einfach weil wir versetzt zur vorjährigen Reihe gesät haben. Wenn man im ersten Jahr in einer Richtung nach Norden sät und im zweiten Jahr wieder zurückkommt, stößt man auf die Stoppeln der Vorjahreskultur. Die Ernte und das Spritzen spielen in dieser Hinsicht keine große Rolle. Aber bei der Aussaat ist das anders. Deshalb haben wir die Sämaschine um 50 mm versetzt. Dadurch konnten wir direkt neben der Stoppelreihe des letzten Jahres säen. Zwischen den Reihen – genau in der Mitte – kann es an der Oberfläche ziemlich trocken und sogar etwas hart sein, aber um den Wurzelballen des Vorjahres herum ist immer Feuchtigkeit vorhanden, selbst unter den trockensten Bedingungen. Das sind die kleinen Nuancen, die wir zu lernen begannen. Und das hat uns zu großartigem Feldaufgang verholfen. Vor allem bei Raps veränderte sich die Architektur unseres Rapses: Die Wurzeln wuchsen sehr tief und dick. Ich konnte den Raps mit der Hand aus dem Boden ziehen. Ich habe das an einem Feldtag gemacht, und die Wurzel war 40 cm lang und ließ sich wie Butter aus dem Boden ziehen – und das auf einem schweren 70%igen Tonboden.

Eine weitere große Überraschung war die Verbesserung der Befahrbarkeit. Auf unseren schweren Böden (70 % Ton) mit hohem Magnesiumgehalt (25-35 % Mg) konnten wir feststellen, dass wir selbst nach 25-30 mm Regen an einem Tag am nächsten Tag wieder auf dem Feld arbeiten konnten.

Nexat
Glauben Sie der Grund hierfür war Wasserinfiltration?

Steve
Ja, richtig. Man kann den Boden nach dem Regen befahren, aber in der Regel wird man tiefe Spuren hinterlassen und die Bodenstruktur zerstören. Mit den permanenten Fahrgassen in CTF können Sie das Feld jedoch befahren, ohne alles zu zerstören. Sobald man aufhört, den Boden an der Stelle zu befahren, an der man sät, wird er nicht mehr klumpig und trocknet in den oberen 25 mm schnell aus. Die oberen 50 mm fühlen sich an wie Blumenerde.

Nexat
Sie haben erwähnt, dass Sie sehr unterschiedliche Böden und Klimate kennengelernt haben. Würden Sie sagen, dass CTF für bestimmte Bodentypen besser geeignet ist, insbesondere wenn es um sehr trockene oder nasse Bedingungen geht?

Steve
CTF funktioniert bei jedem Bodentyp. Im Wesentlichen beseitigen Sie mit der Zeit Bodenverdichtung. Der Boden öffnet sich, wird poröser und die Wasserinfiltration wird verbessert. Normalerweise können tonige Böden Stress, z. B. in Form von frühzeitigen Regenfällen in der Saison oder Wetterextremen, etwas besser verkraften als Sand. Wenn sich Sand verdichtet, lässt sich das nur schwer wieder reversieren – deshalb bauen wir Straßen darauf. Sandige Böden sprechen sehr gut auf CTF an. Tonböden lassen sich ebenfalls sehr leicht verdichten; allerdings quellen sie auf und ziehen sich zusammen, was die Verdichtung teilweise lockert. In der Tiefe dauert es jedoch sehr lange, diese Verdichtung durch Quellen und Zusammenziehen zu lösen, und die tiefe Verdichtung führt zu Ertragseinbußen, da das Wasser nicht abfließen kann. Auf den äußeren Spektren, sehr sandige oder sehr tonige Böden, funktioniert CTF sehr gut; prinzipiell funktioniert es aber auf allen Böden.

Sonnenuntergang
Sonnenuntergang

Nexat
Was waren für Sie die größten Herausforderungen bei der Umstellung auf CTF?

Steve
Das Management von Ernterückständen ist eine große Herausforderung, auch ohne CTF. Beim Random-Traffic-Farming (RTF) können wir jedoch diagonal bearbeiten, um das Stroh nach der Ernte zu verteilen und zu bewegen. Bei CTF haben wir festgestellt, dass es für uns sehr wichtig ist, unsere Sämaschinen richtig einzustellen und zwischen den Reihen zu säen, damit wir die Ernterückstände nicht herausziehen. Gleichzeitig mussten wir sicherstellen, dass unsere Fruchtfolge ein angemessenes C/N-Verhältnis für eine gute Zersetzung aufweist, also mussten wir einige Hülsenfrüchte in die Fruchtfolge integrieren. Vor allem bei einem hohen Anteil von Weizen oder Raps in der Fruchtfolge können zu viele Rückstände auf der Oberfläche verbleiben.

Nexat
Meinen Sie mit dem Rückstandsmanagement die Menge der Ernterückstände oder die Verteilung?

Steve
Beides. Ein kleiner Trick, den wir anwenden, ist, dass wir versuchen, die Stoppeln so hoch wie möglich zu halten. Wir lassen die Stoppeln auf einer Höhe von etwa 25 bis 35 cm stehen. Bei Weizen haben wir sie einmal auf 40 cm belassen und Raps hinein gesät – es war erstaunlich, es war eine unserer größten Rapsernten: Wir ernteten 4 t/ha bei 300 mm Regen. Wir lassen auch oft hohe Stoppeln stehen und pflanzen dann eine Hülsenfrucht hinein. Die Hülsenfrucht hat ein sehr niedriges C/N-Verhältnis, und die verbleibenden Weizenstoppeln haben ein hohes C/N-Verhältnis, es gleicht sich gegenseitig aus. Man erntet dann alles zusammen, weil die Erbsen an den Stoppeln des letzten Jahres hochwachsen und so nicht ins Lager gehen. Durch das ausgeglichene C/N Verhältnis werden die Ernterückstände schneller mineralisiert.

Abgesehen davon waren die extrem nassen Jahre eine Herausforderung.

Nexat
Würden Sie sagen, mehr als bei RTF oder einfach, weil nasse Jahre generell eine Herausforderung sind?

Steve
Nein, eher weil sie generell eine Herausforderung darstellen. Ich glaube nicht, dass wir auf dem Feld gewesen wären, wenn wir RTF gemacht hätten.

Nexat
Sie sehen also, dass sich die Befahrbarkeit mit CTF insgesamt verbessert hat?

Steve
100%. Zeitgerechte Bearbeitung ist schwer zu messen. Wie kann man messen, was dazu geführt hat, dass man drei Tage früher säen konnte? Das ist schwer zu sagen, aber es ist einer der größten Vorteile vom CTF.

Nexat
Wenn Sie auf Landwirte treffen, die vom CTF Konzept nicht überzeugt oder sehr skeptisch sind, was sind die häufigsten Argumente gegen CTF, und wie würden Sie diese normalerweise beantworten?

Steve
Es gibt wahrscheinlich einen Punkt, an dem ich, wenn jemand sagen würde: „Das funktioniert für mich nicht“, sagen würde: „Okay“. Es ist ein höheres Maß an Management erforderlich, da man nicht einfach auf ein Feld gehen und mit Controlled Traffic Farming beginnen kann. Es ist ein strenges System. Das bringt Herausforderungen mit sich. Man muss bereit sein, das zu akzeptieren. Die Vorteile sind es wert, und ich denke, wenn Sie auf der Suche nach einem System sind, mit dem Sie lernen und wachsen können, das ihre Rentabilität und ihre Befahrbarkeit verbessert, dann sollten Sie CTF ausprobieren.

Es besteht der Irrglaube, dass die Frost-Tau-Zyklen, vor allem bei tonigen Böden, die Bodenverdichtung eliminieren. Sie helfen sicherlich, aber im nächsten Jahr fährt man dann wieder darüber. Auf vielen Feldern kann man noch die Erntespuren von vor zwei oder drei Jahren sehen, z. B. durch Bildmaterial oder selber im Bestand. Es ist also klar, dass die Frost-Tau-Zyklen die Verdichtung nicht beseitigen, wenn die Spuren drei Jahre später wieder auftauchen.

Nexat
Sie sprachen von verbesserter Rentabilität. Was wäre der Hebel dafür, was verbessert die Profitabilität durch CTF?

Steve
Ein Aspekt ist die Ertragssteigerung, die wir auf unseren schweren Böden beobachten können. Wenn wir Gerste, Raps oder sogar Erbsen anpflanzen, und der Boden nach der Aussaat, vor oder kurz nach dem Auflaufen, zu feucht wird, verlieren die Pflanzen ihre Kraft. Mit CTF entwässert der Boden viel besser, sodass wir unseren Betrieb sehr viel widerstandsfähiger gemacht haben. Wir bekamen 50, 75 oder sogar 100 mm Niederschlag direkt nach der Aussaat, und das beeinträchtigte weder die Gersten- noch die Rapskultur. Nach der Umstellung auf CTF konnten wir bei der Sommergerste schnell eine Ertragssteigerung von 8 % feststellen. Nachdem wir auf CTF umgestellt hatten, gab es keine Möglichkeit mehr, RTF zu vergleichen, so dass ich keine Vergleichszahlen habe. Was ich weiß, ist, dass unsere langfristigen Rapserträge über 35 % höher sind als der Durchschnitt in unserem Gebiet. Auch hier ist es schwer zu vergleichen, aber ich weiß, dass unser Ackerbau nach der Einführung von CTF viel widerstandsfähiger geworden ist.

Ein weiterer Aspekt ist die Kraftstoffeinsparung. Stellen Sie sich vor, Sie fahren Fahrrad auf einer geteerten Strecke im Vergleich zu einem weichen Schotterweg. In letzterem Fall ist einfach viel mehr Energie erforderlich für die gleiche Strecke bzw. Geschwindigkeit. CTF verringert den Schlupf und verbessert die Traktion.

Nexat
Haben Sie neben den physikalischen Aspekten des Bodens auch Veränderungen der Bodengesundheit in Bezug auf die Bodenbiologie festgestellt?

Steve
Ich konzentriere mich überwiegend auf die physikalischen und chemischen Aspekte, aber ich habe angefangen, einen Solvita-Bodentest zu machen, um die CO2-Atmung zu testen, und das Ergebnis war überragend. Wir haben 50 % mehr Bodenatmung auf unserer CTF Fläche im Vergleich zu einer RTF Fläche festgestellt – was bedeutet, dass es wesentlich mehr mikrobielle Aktivität im Boden gibt. Wenn Sie die Porosität Ihres Bodens erhöhen, bieten Sie in Ihrem Boden viel mehr Raum, d. h. mehr „Häuser“, in denen Bodenorganismen leben können. Es gibt mehr gasförmigen Sauerstoff, und die Mikroorganismen werden nicht durch Wasser ertränkt, weil Wasserinfiltration und Drainage verbessert werden. Abgesehen von einer guten Fruchtbarkeit und insgesamt gesunden Böden haben wir mit CTF also eine hohe biologische Aktivität.

Nexat
Sie machen jetzt seit 14 Jahren CTF. Haben Sie Ihre Fahrgassen in irgendeiner Weise bearbeitet? Ich weiß, dass dies in australischen CTF-Systemen eine gängige Praxis ist.

Steve
Nein, das habe ich bisher nicht. Ich habe ein paar kleine Flächen bearbeitet, vor allem tiefe Stellen auf dem Acker nach sehr nassen Jahren. Ein Nachbar von mir hat eine vertikale Bodenbearbeitungsmaschine gebaut: Er hat einfach die Schare Stellen außerhalb der Fahrgassen abgebaut und es hat wunderbar funktioniert. Ich habe die Maschine für das nächste Jahr für meinen Betrieb gemietet.

Nexat
Insgesamt muss man in Technik investieren, wenn man seinen Betrieb auf CTF umstellt. Würden Sie sagen, dass langfristig oder vielleicht sogar kurzfristig die Vorteile die Kosten überwiegen, die durch die Umstellung entstehen?

Steve
Ja, absolut. Die Ertragsvorteile und Befahrbarkeit. Wie gesagt, es ist schwierig, die Befahrbarkeit zu messen, aber es ist einer der größten Vorteile, wenn man viel früher als bisher auf die Fläche kommt – das summiert sich.

Nexat
Können Sie einschätzen, wann Sie zum ersten Mal eine verbesserte Befahrbarkeit festgestellt haben?

Steve
Ich würde sagen, im zweiten Jahr. Wir fahren auf Einzelreifen, so dass das gesamte Gewicht auf diesen vier Reifen liegt, die einen Allradantrieb haben. Die Fahrgassen wurden in unserem Fall sehr schnell verdichtet.

Die ersten Jahre waren am einfachsten, aber im 6. Jahr war es ziemlich nass, und es wurde etwas schwieriger. In manchen Jahren kann man durch tiefer gelegene nasse Stellen (so genannte Sloughs) säen, in manchen Jahren nicht. Es gab eine Phase von vielleicht zwei oder drei Jahren, in denen wir nicht geradeaus säen konnten, sondern eine Runde drehen mussten.

Nexat
Sloughs sind eine sehr typische Topografie für Kanada, oder?

Steve
Ja, in der Tat.

Nexat
Vielen Dank, Steve, dass Sie sich die Zeit genommen haben und alle unsere Fragen beantwortet haben.

Steve
Gerne, ich freue mich immer meine Erfahrungen teilen zu können.